Reise in den Iran

Zu Besuch bei Papital: Moderne Ornamentkunst und soziales Engagement im Iran

von | 14. November 2019 | Mehr möglich machen | 0 Kommentare

Zu Besuch bei Papital: Moderne Ornamentkunst und soziales Engagement im Iran

von | 14. November 2019 | Mehr möglich machen | 0 Kommentare

Meine große Reise in diesem Jahr: auf in den Iran! Märchenhafte Paläste in Isfahan, die Ruinen von Persepolis, die Wüstenstadt Yazd und die berühmte persische Gastfreundschaft – viel mehr als diese etwas klischeehaften Traumbilder hatte ich anfangs nicht von meinem Reiseziel. Kurz vor meiner Abreise dann eine Überraschung: Im CONTIGO Fairtrade Onlineshop entdecke ich fair gehandelten Schmuck aus dem Iran. Nach einem Anruf bei Contigo wurde schnell der Kontakt zum neuen Handelspartner Papital in Teheran hergestellt.

Meine große Reise in diesem Jahr: auf in den Iran! Märchenhafte Paläste in Isfahan, die Ruinen von Persepolis, die Wüstenstadt Yazd und die berühmte persische Gastfreundschaft – viel mehr als diese etwas klischeehaften Traumbilder hatte ich anfangs nicht von meinem Reiseziel. Kurz vor meiner Abreise dann eine Überraschung: Im CONTIGO Fairtrade Onlineshop entdecke ich fair gehandelten Schmuck aus dem Iran. Nach einem Anruf bei Contigo wurde schnell der Kontakt zum neuen Handelspartner Papital in Teheran hergestellt.

1. Reisen im Iran

An meinem ersten Tag in Teheran quetsche ich mich mitten während der Rushhour in die Metro und steige im Gewimmel der Shahid Navab-e Safavi Station aus, wo ich mit Saeed Aghae verabredet bin. Saeed erkennt mich sofort – offensichtlich trage ich das vorschriftsmäßige Kopftuch nicht mit der lässigen Eleganz der Iranerinnen…

Er lotst mich im Slalom durch den Feierabendverkehr (Motorräder fahren in Teheran nicht nur auf dem Gehweg, sondern zusätzlich auf der Straße in verkehrter Richtung) bis wir von seiner Frau Shiva in Empfang genommen werden. In der Wohnung von Shiva und Saeed lerne ich auch ihre Freunde und Kollegen Vahid und Jafer kennen.

In der Metro von Teheran gibt es neben gemischten Waggons auch Abteile nur für Frauen, auch die Wartebereiche für diese Wagen sind gekennzeichnet. In den Frauenabteilen nehmen viele Frauen das vorgeschriebene Kopftuch ab.

Im Iran leben ca. 81 Mio Menschen.

1. Reisen im Iran

An meinem ersten Tag in Teheran quetsche ich mich mitten während der Rushhour in die Metro und steige im Gewimmel der Shahid Navab-e Safavi Station aus, wo ich mit Saeed Aghae verabredet bin. Saeed erkennt mich sofort – offensichtlich trage ich das vorschriftsmäßige Kopftuch nicht mit der lässigen Eleganz der Iranerinnen…

Er lotst mich im Slalom durch den Feierabendverkehr (Motorräder fahren in Teheran nicht nur auf dem Gehweg, sondern zusätzlich auf der Straße in verkehrter Richtung) bis wir von seiner Frau Shiva in Empfang genommen werden. In der Wohnung von Shiva und Saeed lerne ich auch ihre Freunde und Kollegen Vahid und Jafer kennen.

In der Metro von Teheran gibt es neben gemischten Waggons auch Abteile nur für Frauen, auch die Wartebereiche für diese Wagen sind gekennzeichnet. In den Frauenabteilen nehmen viele Frauen das vorgeschriebene Kopftuch ab.

Im Iran leben ca. 81 Mio Menschen.

2. Papital

Papital

Das Künstlerkollektiv Papital Gallery wurde 2016 von Fatemeh Zare´ ie, einer Kunststudentin aus Teheran, gegründet. Die Künstler*innen entwerfen Schmuck mit den Mustern von Mosaiken aus iranischen Moscheen. Sie verbinden so die traditionelle Handwerkskunst der Fliesen mit modernem Schmuckdesign. Zurzeit hat Papital fünf feste Mitarbeiter*innen. Um auch anderen Menschen eine Chance auf bessere Lebensumstände zu ermöglichen, arbeitet Papital mit der Organisation Ghalb-e Sefid zusammen. Diese bietet zum einen ein Bildungs- und Sozialprojekt für Kinder und ein Einkommensprojekt für benachteiligte Frauen. Letzteres wird von Papital unterstützt.

Die Wohnwerkstatt

Ein Zimmer in der Wohnung von Shiva und Saeed ist Werkstatt, Designbüro und Showroom in einem. Dort werden neue Muster für den Fliesenschmuck entworfen und Prototypen hergestellt, an den Wänden hängen Ohrringe und Halsketten in verschiedenen Ausführungen.

Die Masse für die Fliesen wird geknetet und mit einem Nudelholz dünn ausgerollt. Dann werden die für die Schmuckstücke benötigten Formen ausgeschnitten oder ausgestochen. Sie trocknen bis zu zwei Wochen an der Sonne. Sobald die Stücke fest, aber noch nicht ganz getrocknet sind, werden Löcher für die Anhänger gestochen. Anschließend werden die noch undekorierten Fliesenstücke mit Feile und Sandpapier glattgeschliffen.

Shiva wählt passende Muster aus den Mosaiken aus, diese werden in einer Druckerei auf spezielle Transferbögen gedruckt. Die benötigten Ausschnitte werden aus den Bögen geschnitten und auf die Fliesen geklebt. So trägt jedes der Schmuckstücke ein Abbild aus einem Detail der wunderschönen Ornamente der Nasr al Molk Moschee in Shiraz oder der Jame Moschee in Isfahan. Die so dekorierten Fliesen werden zum Schluss mit Klarlack versiegelt, so dass die Schmuckstücke weniger empfindlich gegen Nässe sind. 

Galerie: Produktionsprozess

Die kleinen Schmuckfliesen können dann mit Perlen und Steinen zu Ohrhängern, Ohrsteckern oder Ketten zusammengefügt werden. Die Herstellung in Handarbeit ist sehr zeitaufwändig, jedes einzelne Stück wird von Shiva und den anderen Frauen sorgfältig gestaltet.

Wir verabreden, dass ich auf meiner Reise durch den Iran Detailaufnahmen von weiteren Mosaiken mache und sie Papital für neue Designs zur Verfügung stelle. (Ich habe dann auf meinen Reisestationen wohl jede einzelne Fliese in jedem Mosaik in jeder Moschee fotografiert…)

Die Jame-Moschee (Haupt- oder Freitagsmoschee) in Yazd wurde im 14. Jahrhundert errichtet. Ihre Minarette sind die höchsten im Iran. Berühmt ist sie auch für die Fassade des Portals, die mit glänzenden blauen Fliesen dekoriert ist.


Galerie: Märchenhafte Paläste

3. Das weiße Herz Teherans

Das weiße Herz Teherans

Am folgenden Tag mache ich mich mit Saeed, Jafer und Yousef, einem weiteren Papital-Unterstützer, auf den Weg zu ihrer Partner-Organisation Ghalb-e Sefid in einem Außenbezirk von Teheran. Ghalb-e Sefid bedeutet „weißes Herz“, im übertragenen Sinne auch „gutes Herz“.

In den Büroräumen empfängt uns Zahra Hoseini, die Managerin der NGO mit mehreren ihrer Mitarbeiter*innen. Das Hauptanliegen von Ghalb-e Sefid ist es, die Situation von arbeitenden Kindern zu verbessern und ihnen einen Weg aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen zu eröffnen. In der Stadt sind mir bereits viele Jungen und Mädchen aufgefallen, einige wohl kaum älter als sechs Jahre, die Plastikflaschen einsammeln, Kaugummis, Kekse oder Socken verkaufen. Sie warten an den Ampeln der Hauptverkehrsstraßen auf Kundschaft oder gehen in der Metro von Wagen zu Wagen und preisen ihre Waren an – das sind die sichtbaren arbeitenden Kinder. Die „unsichtbaren“ schleppen Ziegel in Ziegeleien, knüpfen Teppiche oder reinigen Motorteile in Autowerkstätten. Kinderarbeit ist im Iran zwar verboten, aber Kontrollen gibt es kaum. Und selbst wenn die Behörden Kinder auf der Straße aufgreifen und nach Hause schicken: Bei nächster Gelegenheit kehren sie wieder an ihren Arbeitsplatz zurück, um Geld zu verdienen. Denn viele Familien sind darauf angewiesen, dass die Kinder zum Familieneinkommen beitragen.

Die Mitarbeiter*innen von Ghalb-e Sefid berichten, dass ein großer Anteil der arbeitenden Kinder aus afghanischen Familien stammt (der Iran hat ca. 3 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan aufgenommen). Alleinerziehende Mütter und ihre Kinder trifft die Armut besonders hart, da die Frauen keine gesellschaftliche Anerkennung erfahren und bei der Wohnungs- und Arbeitssuche kaum Chancen haben.

Anhänger mit dem Logo „weißes Herz“ von Ghalb-e Sefid, der Partnerorganisation von Papital.

Ein stolzes Mädchen

Der Vormittagsunterricht ist zu Ende, Kinder stürmen lärmend durch den Flur ins Spielzimmer. Alle wirken fröhlich und neugierig und begrüßen mich munter durcheinander plappernd auf Farsi und Englisch. Ein kleines Mädchen berichtet stolz, sie habe gestern 30.000 Toman (ca. 2 Euro) verdient – und mir wird klar, dass meine Vorstellungen von Kinderarbeit hier nicht so recht passen. Offensichtlich bedeutet Arbeit für dieses Mädchen nicht nur Anstrengung, Ausbeutung und Überforderung, sondern auch Selbstbewusstsein und Anerkennung. Man kann diesem Kind nicht einfach sagen: „Du darfst nicht arbeiten. Hier hast du Spielzeug und ein Schulheft, nun sei glücklich!“. Sie weiß, dass sie mit ihrem Verdienst ihre Mutter unterstützt. Natürlich sollen Kinder nicht als Versorger*in der Familie die Rolle von Erwachsenen übernehmen. Kinder dürfen keine physisch oder psychisch belastenden Tätigkeiten ausüben, sie dürfen nicht zur Arbeit gezwungen werden und auf Bildung und Zukunftschancen verzichten müssen. Die Begegnung mit diesem Mädchen hat mir jedoch gezeigt: Wenn man diese Jungen und Mädchen erreichen und schützen möchte, muss man die Leistung der Kinder, die so früh bereits Verantwortung übernehmen, ernst nehmen.


Entsprechend ist auch die Herangehensweise von Ghalb-e Sefid. Die Mitarbeiter*innen sprechen arbeitende Kinder auf der Straße an und laden sie ein, das Zentrum der NGO zu besuchen. Oft braucht es mehrere Kontaktversuche und Besuche zu Hause, bis die Kinder und ihre Mütter Vertrauen fassen. Im ersten Schritt geht es der Organisation darum, dass die Kinder weniger arbeiten, maximal 4 Stunden am Tag. Die Sozialarbeiter*innen müssen sehr behutsam vorgehen, um den Druck, der auf den Familien lastet, mildern zu können. Ghalb-e Sefid bietet den Kindern an, die von der NGO eingerichteten Schulklassen zu besuchen. Dort werden sie auf die Aufnahmeprüfung für die staatliche Schule vorbereitet – kostenlos und halbtags. Ist der Schritt des Schulbesuchs erreicht, gibt es weitere Angebote wie Sport und Ausflüge – die Kinder haben oft ein großes Stück Kindheit nachzuholen.

"Don’t take all the harvest, leave some for the poor"

Der zweite wichtige Arbeitsbereich der NGO ist ein Ausbildungsprojekt für Frauen, meist alleinerziehende Mütter. Hier arbeiten Ghalb-e Sefid und Papital zusammen, um in einem geschützten Rahmen Verdienstmöglichkeiten zu schaffen.

Die Frauen haben die Möglichkeit, im Zentrum Kurse zu besuchen und handwerkliche Fertigkeiten zu erlernen. Aktuell können die Frauen in der Schneiderei, der Lederverarbeitung oder der Schmuckherstellung arbeiten. Die Ausstattung der Werkräume und ein Großteil der sozialen Arbeit der NGO wird über Spenden von wohlhabenden Iraner*innen finanziert. Ghalb-e Sefid hat jedoch zum Ziel, den Frauen durch Ausbildung und ein eigenes Einkommen den Weg in ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Dafür sind die Aufträge von Papital ein wichtiger Baustein.

Am Tag meines Besuchs arbeiten einige Frauen an der Herstellung von Portemonnaies, andere stellen mit dem von Papital zur Verfügung gestellten Material Ohrhänger und Ketten her. Die Frauen sitzen konzentriert am Tisch in einem hellen Arbeitsraum und schleifen, schneiden, kleben, fädeln Perlen auf. Einer jungen Frau, die neu in der Gruppe ist, werden die einzelnen Arbeitsschritte erklärt und gezeigt.

Produktion von Ledergeldbörsen bei Ghalb-e Sefid.

Ich frage Saeed, warum Papital bei der Produktion mit Ghalb-e Sefid kooperiert, obwohl es finanziell vorteilhaftere Lösungen gäbe. Er vergleicht sein Unternehmen mit einem Bauern, der zur Erntezeit einen Teil der Früchte auf dem Feld lässt: „Don’t take all the harvest, leave some for the poor.“ Es ist ihnen aber auch wichtig, keine Almosen zu geben, sondern langfristige Perspektiven für die Frauen und ihre Kinder aufzubauen.

4. Nachhaltig wirtschaften unter dem Handelsembargo

Der große Bazaar in Teheran: Einer der größten Basare der Welt mit verschachtelten Straßen, Gassen und Passagen. Dort kaufen die Mitglieder von Papital die Werkstoffe für ihren Fliesenschmuck ein.

Nachhaltig wirtschaften unter dem Handelsembargo

 

Dabei steht das Team von Papital oft vor logistischen Herausforderungen. Die Perlen und Verschlüsse für ihre Schmuckstücke kaufen sie auf dem Bazaar in Teheran ein. Manchmal sind aber die benötigten Teile nicht erhältlich oder sie variieren in Form oder Farbe und entsprechen damit nicht den vom Auftraggeber bestellten Mustern. Zudem steigen wegen der Inflation und den Handelssanktionen die Preise für die zugekauften Materialen ständig. Auch die Druckerei, die die Designs auf das Transferpapier druckt, muss manchmal wegen Versorgungsengpässen andere Toner verwenden, so dass die Farben nicht dem ursprünglichen Design entsprechen.

 

Über die Plattform der iranischen NGO Dastadast (eine Dachorganisation für Handwerker*innen) vermarktet Papital den Schmuck auf dem inländischen Markt. Doch die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes macht sich auch im Konsumverhalten der iranischen Mittelschicht bemerkbar; die Menschen sind sehr zurückhaltend beim Kauf rein dekorativer Produkte. Daher ist Papital dringend auf Käufer*innen im Ausland angewiesen. Damit ist aber ein weiteres Problem verbunden: Aufgrund der US-Sanktionen ist Iran weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten, eine direkte Überweisung aus Deutschland auf iranische Konten ist nicht möglich. Der Transfer z.B. über Auslandskonten in arabischen Ländern ist sowohl für Papital als auch den Importeur mit hohen Kosten und Risiken verbunden.

 

 

Ich hoffe sehr, dass es dem Team von Papital trotz der schwierigen Rahmenbedingungen gelingt, ihre Arbeit fortzusetzen und auszubauen. Papital bedeutet übrigens „Efeu“ – es ist sicher kein Zufall, dass das junge Unternehmen sich den Namen dieser zähen, immergrünen Kletterpflanze gegeben hat.

Persischer Schmuck aus dem Iran bei CONTIGO

CONTIGO Fairtrade importiert die Schmuckstücke in unterschiedlichen Formen von Papital für euch. Die Kollektion besteht aus:

  • Halsketten
  • Ohrsteckern
  • Ohrhängern

Die Preise reichen von 14,50 € bis 28,00 € (jeweils empf. VK). 

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